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„Recht auf Leben – Recht auf Sterben“

Veranstaltung mit Franz Müntefering am 13. Mai 2014

Müntefering1 „Wenn mich vor 20 Jahren einer gefragt hat, wie ich sterben möchte, habe ich geantwortet: Am besten mitten im Leben tot umfallen. Das würde ich heute nie mehr so sagen.“

Mit dieser pointierten Aussage begann unser Gesprächspartner Franz Müntefering (Foto links) seinen Einleitungsvortrag, in dem er seine Haltung zum Thema sofort zu Beginn deutlich machte. Er verwies darauf, dass persönliche Erfahrungen in den letzten Jahren diese seine veränderte Einstellung zum Wert und zur Wichtigkeit der letzten Lebensphase befördert haben.

Die Fachschaft Ev. Religion – Kath. Religion – Philosophie hatte über mehrere Wochen den Themenbereich Sterbehilfe und Suizid in einer Unterrichtseinheit in den Klassen der

  • HBFG 12 (Wirtschaftsgymnasium),
  • FOS 13 (Fachoberschule),
  • PKA (Pharmazeutisch Kaufmännische Angestellte) und
  • ZAM (Zahnmedizinische Fachangestellte)

vorbereitet.

Pfarrer Hoffmann
Diese gelungene Zusammenarbeit innerhalb der Fachschaft wurde mit dieser gemeinsamen Veranstaltung abgeschlossen. Dazu hatte Pfarrer Dr. Horst Hoffmann (Foto rechts) den früheren Bundesminister und Vizekanzler Franz Müntefering ins Berufskolleg für Wirtschaft und Verwaltung eingeladen.

 

Im Bundestag wird in diesen Monaten eine Vorlage zu Sterbehilfe und Suizid mit zahlreichen rechtlichen aber auch medizinethischen Fragestellungen diskutiert. Gleichzeitig finden entsprechende rechtliche Neuorientierungen in verschiedenen europäischen Staaten statt, zuletzt in Belgien hinsichtlich der Sterbehilfe bei Kindern.

Müntefering2Franz Müntefering (links) griff in seinem Statement noch einmal seine Auseinandersetzung mit Udo Reiter („Ich habe ein Recht auf meinen eigenen Tod“) in der Süddeutschen Zeitung im Januar 2014 auf. Er bezeichnete dies als eine „gefährliche Melodie“.

Statt über eine gewerbsmäßig organisierte Beihilfe zum Suizid und eine rechtliche Ausweitung der Sterbehilfe zu diskutieren, gelte es vielmehr, die Möglichkeiten der Sterbebegleitung (Palliativmedizin und Hospiz) auszubauen. Dafür müsse der Staat bereit sein, „Geld in die Hand zu nehmen“. In einer demographisch alternden Gesellschaft, die immer gesünder immer älter wird, werde sich das Problem in den nächsten Jahren und Jahrzehnten dramatisch verschärfen. Der ökonomische Druck auf die schwerstkranken Alten werde sich entsprechend verstärken. Dem gelte es zu wehren und nicht mit einer gesetzlichen Initiative den Weg zu bereiten. Hierbei gehe es auch um die Würde des Menschen, auch des alten und kranken. Der Hinweis, dass man da in eine Firma gehen und sich was holen könne, sei jedenfalls keine Lösung.

Wenn er noch Mitglied des Bundestages wäre, wüsste er gar nicht, wie er die rechtlichen Kriterien und Normen, die dann verbindlich beschrieben werden müssten, festlegen sollte. Dazu wären die Abgeordneten gar nicht in der Lage. Das müsste ein Gesetz aber leisten können.

ZuhoererKontroverse und provokant vorgetragene Gegenpositionen aus dem Plenum konterte Müntefering mit dem Argument, es gelte, auch in der letzten Lebensphase „Mut zum Leben“ zu machen und nicht Leiden, Schmerz und Altern einfach vom Leben „abzuschneiden“. Man dürfe das Leiden und das Sterben nicht aus dem Leben ausgrenzen und gesellschaftlich tabuisieren.

Ausdrücklich unterschied Müntefering zwischen lebenserhaltenden („da ist heute viel möglich“) und lebensverlängernden Maßnahmen („da ist Vieles nicht nötig“) und wies auf die Notwendigkeit einer frühzeitigen Patientenverfügung hin. Das sei die Verantwortung jedes Einzelnen.

Müntefering hatte die Grauzonen in diesem Themenbereich durchaus im Blick, zeigte sich aber überzeugt, dass eine neue gesetzliche Festlegung weder das Problem des menschlichen Leidens noch einen verzweifelten Suizid werde verhindern können.

Am Ende bedankte sich Franz Müntefering für das aufmerksame Zuhören der Teilnehmenden und mahnte, in diesem schwierigen Fragenkomplex nicht auf scheinbar einfache Lösungen zu verfallen. Damit hinterließ er Schülerinnen und Schülern, aber auch Lehrerinnen und Lehrern, die Aufgabe, diesen Themenbereich weiter intensiv zu bearbeiten.

Dr. Horst Hoffmann, Berufsschulpfarrer