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Besuch JVADie Oberstufe der Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten des Berufskollegs für Wirtschaft und Verwaltung der Stadt Herne besuchte am 11. September 2014 mit ihren Lehrern, Astrid Fronzek und Henk Wiering, die Justizvollzugsanstalt für den offenen Vollzug in Castrop-Rauxel.

 

Nach dem persönlichem Empfang durch den Behördenleiter Herrn Julius Wandelt und einem sehr spannenden und informativen Vortrag, welcher für reichlich Gesprächsstoff sorgte, konnte einem Insassen des offenen Vollzugs Fragen gestellt werden und es durfte sogar seine Stube besichtigt werden.

Zu Anfang des Ausflugs in den „Knast“, hat Julius Wandelt eines ganz besonders hervorgehoben. Auch die Insassen haben ein Recht auf Privatsphäre, sie wird nicht „vorne an der Pforte abgegeben“ und „dies soll keineswegs einen Zooausflug werden“. Julius Wandelt hat klare Prinzipien und vertritt eine feste Meinung.

„Mauern, Gitter, Zäune und Stacheldraht haben die Gesellschaft in Jahrhunderten nicht entkriminalisiert. Es ist nicht gelungen, den einzelnen Straftäter durch Wasser, Brot und Tütenkleben zu einem rechtstreuen Mitmenschen zu erziehen. Natürlich könnten wir -wie das auch heute noch vielerorts passiert- Rechtsbrecher für die im Urteil angegebene Dauer relativ preisgünstig und sehr sicher „wegschließen“. Aber irgendwann ist jede Strafzeit zu Ende. Und dann? Niemand wird behaupten wollen, danach sei der Verurteilte geläutert, die Welt wieder sicher und in Ordnung.“,

heißt es auf der Internetseite der JVA Castrop-Rauxel. Ein wichtiger Leitspruch steht an erster Stelle. Die JVA möchte ganz deutlich vermitteln:

„Wir setzen alles daran, Gefangene fit zu machen für ein straffreies Leben.“

Als Leiter eines Komplexes mit rund 550 Inhaftierten, welche sich außerhalb der Sperrstunden auf einem 130 000 qm großen Gelände, mit Sportplatz, Kantine, Theater, Sporthalle, Werkstatt und den einzelnen Wohnhäusern frei bewegen dürfen, trägt Julius Wandelt viel Verantwortung. Das Team der Justizvollzugsangestellten, welches ihm tatkräftig zur Seite steht, ist dabei eine wichtige Stütze und für einen reibungslosen Ablauf unabdingbar.

Einige mögen jetzt denken:

Theater? Sportplatz? Wohnhäuser? Das ist doch keine Strafe!

Genau mit diesen Äußerungen möchte Julius Wandelt aufräumen. Während der gemeinsamen Gespräche wurde eines ganz deutlich: Straftäter sind keine Tiere! Und genau diese „Freiheiten“, wenn man das so nennen kann, sind wichtig für die Resozialisierung der Straftäter. Ihnen soll gezeigt werden, dass, wer sich an Regeln hält und sein Leben versucht in den Griff zu bekommen, belohnt wird und zwar schon durch eine, für uns vollkommen an Wert verlorene Aussage: „Das hast du gut gemacht“. Diese wenigen Worte haben für einige Straftäter große Bedeutung und gehen ihnen rührend nahe.

Die Häftlinge in der JVA Castrop-Rauxel sollen nach langen Haftstrafen durch den offenen Vollzug langsam auf das Leben „Draußen“ vorbereitet werden. Sie sind trotz der kleinen Freiheiten die sie haben, strengen Regeln unterlegen. Es gibt feste Zeiten zum Aufstehen, zum Essen, zum Arbeiten und eine strenge Nachtruhe. Alkohol und Drogen sind strengstens verboten. Wer gegen die Vorgaben der JVA verstößt, wird sofort in den geschlossenen Vollzug gesperrt und in ein anderes Gefängnis verlegt. Der Lohn, den die Inhaftierten beispielsweise in der Werkstadt verdienen, wird zu 80 % einbehalten und als Rücklage für den Neuanfang auf freiem Fuß angespart.

Herr K., er sitzt 4 Jahre und 2 Monate wegen Betruges, erklärte, dass man nicht ohne weiteres in den offenen Vollzug kommt. Man muss sich dafür bewähren. Die Entscheidung wird von einem Gremium getroffen. Man durchläuft mehrere Stufen und muss bestimmte Prozentsätze erreichen, um eine solche Strafminderung zu erhalten.

Bevor Herr K. in den offenen Vollzug kam, saß er 2 Jahre in verschiedenen Gefängnissen ein und dies jedes Mal im geschlossenen Vollzug. Er berichtet davon wie es ist, plötzlich vor dem Nichts zu stehen. Abgeführt zu werden. Das Gefühl, wenn sich die massive Metalltür schließt. Eine Tür, innen ohne Griff, man kann sie nicht einfach öffnen und herausspazieren. Wenn sie ins Schloss fällt, ist man 23 Stunden mit sich allein.

Eine Freiheitsstrafe bringt viele Verluste mit sich, erzählt er, man verliert den Job und die Wohnung, seine Freunde, Lebenspartnerin, die Familie, alle wenden sich ab. Seit Herr K. streng organisierte Freigänge hat, berichtet er, habe er auch wieder eine Freundin. Seine damalige Lebensgefährtin hat ihn kurz nach seiner Inhaftierung verlassen.

Er lebt zurzeit in einem der Wohnhäuser auf dem Gelände der JVA, er ist der „Hausmeister“ des Gebäudes, welches er mit 60 weiteren Häftlingen verschiedenen Alters, Nationalität und Haftstrafen bewohnt. Seine Stube ist klein und sporadisch eingerichtet. Auf engstem Raum hat er sein weniges, neu angesammeltes Hab und Gut eingerichtet. Mehr als ein Bett, ein schmaler Kleiderschrank, ein Schreibtisch mit Schublade und ein schmales Regalbrett passen nicht in den Raum. Es ist hier ein Privileg ein Einzelzimmer zu haben und nur wenige kommen in diesen Genuss. Die anderen Bewohner des Hauses wohnen teilweise zu sechst in einem Zimmer mit Stockbetten. Es gibt eine Gemeinschaftsdusche und eine Toilette, eine kleine Küche und einen Gemeinschaftsraum mit Fernseher.

Herr K. hat uns seine Geschichte erzählt. Wie viel davon wahr ist, bleibt für uns wohl ungelöst. Wichtig ist, dass wir einen unverblümten Einblick in das Leben hinter Gittern haben durften.

Wir bedanken uns ganz herzlich für den informativen und spannenden Tag in der JVA Castrop-Rauxel und die kompetente und herzliche Präsentation von Juliusn Wandelt.

 

Nicola Vogel

RenoO