Heimatbilder ohne röhrenden Hirsch
Sie haben photographiert, gemalt, geschnitten, geklebt. Sie haben Eindrücke, Erfahrungen, Materialien und Ideen gesammelt und neu geordnet: Schülerinnen und Schüler des Liceum Adam Mickiewicz im polnischen Olsztyn und des Berufskollegs für Wirtschaft und Verwaltung am Westring in Herne haben sich im Juni und September mit dem Thema „Moja Warmia i Mazury – Dein Masuren; Mein Ruhrgebiet – Twoje Zagłębie“ im Gepäck für insgesamt knapp vier Wochen aufgemacht, die jeweils eigene bzw. fremde Heimat in Masuren und im Ruhrgebiet wieder oder neu zu entdecken. Die dabei entstandenen Eindrücke und Erfahrungen galt es künstlerisch umzusetzen.
Allerdings wird an beiden Schulen kein Kunstunterricht erteilt. Und so kann ein weißer Zeichenkarton im Format 70x100cm zunächst zu einer fast unüberwindlichen Hürde werden. Dass dennoch alle erfolgreich ans Ziel gelangt sind, davon können sich derzeit alle Bürgerinnen und Bürger selbst ein Bild machen: Im Foyer der Martin-Opitz-Bibliothek (Berliner Platz 5, 44623 Herne) wurde jetzt die Ausstellung der „Heimatbilder“ durch den Vizelkonsul der Republik Polen, Herrn Jakub Wawrzyniak, der zugleich die Schirmherrschaft über das Projekt übernommen hat, feierlich eröffnet. Unter den geladenen Gästen waren u.a. Bürgermeisterin Wagner, Vertreter der Europaunion Herne, der Direktor der Martin-Opitz-Bibliothek, Dr. Wolfgang Kessler, und der Schulleiter des Berufskollegs, Heribert Gathmann.
In ihren Festansprachen wiesen die Redner auf die lange Tradition und die Bedeutung internationaler Begegnungen und Beziehungen insbesondere mit Polen im Ruhrgebiet hin. Zugleich betonte Vizekonsul Wawrzyniak, dass jedes neue gemeinsame Projekt wichtig sei, um nach wie vor bestehende Vorurteile abzubauen: „Wenn nur zwischen zwei Schülern der Kontakt bestehen bleibt, dann hat sich die Arbeit gelohnt.“ Herr Gathmann errechnete, dass das dann immerhin eine Erfolgsquote von 10% sei – und davon würde in Zeiten der Krise jedes Wirtschaftsunternehmen träumen.
Ermöglicht wurde dieses Kunstprojekt durch die großzügige Förderung der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit in Warschau. Außerdem haben die Martin-Opitz-Bibliothek, die Stadt Herne, die hcr (Straßenbahn Herne-Castrop-Rauxel GmbH), die Herner Europaabgeordnete Dr. Renate Sommer und die Herner Rechtsanwältin Aldona Vielhauer das Projekt durch vielfältige logistische Unterstützung Wirklichkeit werden lassen.
HOPE 2009 (d.h. Herne-Olsztyn-Partnership-Exchange) hat damit neue Maßstäbe in der langjährigen Zusammenarbeit der beiden Schulen gesetzt. Und schon jetzt feilen die polnischen Lehrer Ela Witkowska und Andrzej Dzik und ihre Herner Kollegen Kathrin Dahlhaus und Christopher Wulff an einem neuen Projekt für 2011, an dem dann wieder Schülerinnen und Schüler aller Bildungsgänge teilnehmen können.
Bis zum 8. Oktober 2009 sind die knapp 50 Bilder noch in Herne zu sehen. Anschließend werden sie an verschiedenen Orten in NRW ausgestellt, bevor sie dann nach Olsztyn (Allenstein) reisen, um der polnischen Öffentlichkeit präsentiert zu werden.
Eines steht nach einer ersten Besichtigung der Ausstellung fest: Heimatbilder brauchen keinen röhrenden Hirschen; Heimat ist hier und heute – und Heimat ist jung und bunt!
Christopher Wulff